Die Auswahl an Tragehilfen geht mittlerweile weit über die Frage "Tuch oder Trage" hinaus. Dazwischen gibt es nämlich noch Tragen aus Tuchstoff zum Binden, unzählige Hersteller und Materialien.
Früher galt der Leitspruch: Ein Tuch ist immer das Beste für ein Baby! Dem kann ich so nicht (mehr) zustimmen. Damals war das mit Sicherheit richtig, denn die Tragen waren nicht ausgereift und der Markt ziemlich klein, wodurch sie mangels Alternativen entweder gepasst haben - oder eben nicht.
Heute haben wir viele verschiedene Möglichkeiten, was Fluch und Segen gleichermaßen darstellt. Glücklicherweise können wir uns also durch unzählige Tragesysteme testen, schauen was passt und bei Bedarf optimieren. Eine gut sitzende und angepasste Trage ist also mindestens genauso gut wie ein Tragetuch. Andersherum ist ein schlecht gebundenes Tuch niemals so gut wie eine korrekt angelegte Trage.
Ich persönlich bin die absolute Tuchtante, warum erfährst du bei den Vorteilen des Tragetuchs weiter unten.
Eine Trage zu kaufen ist in etwa so, als möchte man ein Auto kaufen. Im Internet kommt in gewissen Foren immer wieder die Frage "was ist die beste Trage?".
Da könnte man genauso gut fragen, was das beste Auto sei. Um es dann noch ein wenig zu präzisieren: eins mit Reifen und vier Türen!
Auf solche Fragen kommen dann mindestens 20 verschiedene Antworten, weil jeder Mensch nun mal seinen eigenen Favoriten hat. Manche bevorzugen Automatik, andere lieben es zu schalten. Manche möchten Benzin, andere ein Elektroauto... Du verstehst worauf ich hinaus will.
Und ganz oft höre ich Sätze wie:
Die Trage habe ich von meiner Schwester/Freundin bekommen, aber ich komme damit absolut nicht zurecht! Ich weiß wirklich nicht, warum die so toll sein soll
Ich hab die Trage halt gekauft, weil ich die schon öfter bei anderen gesehen habe, aber ich bekomme davon ständig Rückenschmerzen
Mir wurde die Trage von Anderen empfohlen, aber mein Baby weint darin nur und streckt sich durch
Das ist jetzt schon meine dritte (!) Trage und keine hat bisher so richtig gepasst
Deshalb versuche ich, dir hier einen groben Überblick zu geben. Das garantiert nicht, dass die nächste Trage die du ohne Beratung kaufst, sofort die richtige ist! Ein Auto fährst du vor dem Kauf ja auch probe, um Fahrverhalten, Funktionalität und vor allem das Gefühl beim Fahren zu testen ;-)
Die verschiedenen Tragehilfen:
Die Fullbuckle-Trage
Die Fullbuckle-Trage ist komplett zum Schnallen. Sie besteht aus einem Bauchgurt, einem Rückenteil und Trägern, die entweder am Bauchgurt und/oder am Rückenteil durch Schnallen fixiert oder gelöst werden können.
Schauen wir uns die einzelnen Komponenten mal etwas genauer an:
Der Bauchgurt kann sowohl gerade, als auch ergonomisch geformt sein. Was davon besser ist, ist abhängig von deinem Geschmack und deinem Körperbau. Und wie hoch/niedrig du dein Baby trägst. Das wiederum ist abhängig von der Größe deines Kinds.
Das Rückenteil kann aus verschiedenen Materialien bestehen. Einige Hersteller bieten Tragen mit Mesh-Anteil an, die zwar luftig und atmungsaktiv sind, aber eben nicht so kuschelig wie 100% Baumwolle. Bei manchen Herstellern sind die Beinausschnitte zusätzlich gepolstert. Andere setzen auf ein Rückenteil aus Tragetuchstoff, das sich wunderbar an den Rücken vom Baby anpasst.
Die Träger gehen beidseitig vom Rand des oberen Rückenteils weg und sind gepolstert.
Beide Schulterträger werden mit einem Verbindungsgurt -je nach Trageweise am Rücken oder vor der Burst - fixiert, sodass die Träger nicht mehr von der Schulter rutschen können.
Der Verbindungsgurt sollte auf Höhe der Schulterblätter liegen, ansonsten drohen Rücken und Nackenschmerzen. Wie das auch ohne Verrenkungen geht, lernst du natürlich in den Beratungen!
Die Fullbuckle-Trage ist auf den ersten Blick sehr einfach und schnell anzulegen und genau da liegt auch die Schwierigkeit. Es gibt dabei ein paar Punkte zu beachten, ansonsten wird die Trage durch die Gurte relativ schnell unbequem oder das Kind sitzt nicht ergonomisch in der Trage, sondern wird lediglich an den Körper des Tragenden "angepresst". Außerdem kann je nach Gurtverlauf durch falsches Festziehen der Gurte Zug auf den empfindlichen Babyrücken ausgelöst werden.
Ein weiterer Punkt, der bei einer Fullbuckle eine Rolle spielen könnte, ist die Anzahl der tragenden Personen. Denn pro Person benötige ich neue Einstellungen. Ähnlich, als würden sich zwei Leute ein Auto teilen und jedes Mal den Spiegel und den Sitz neu einstellen. Das kann auf Dauer ziemlich nervig sein. Je mehr Schnallen es zu verstellen gibt, desto aufwendiger gestaltet sich dabei die Feinjustierung.
Einmal richtig eingestellt und korrekt angelegt ist die Fullbuckle-Trage aber dennoch eine schnelle und unkomplizierte Lösung, sein Kind zu tragen.
Der Onbuhimo:
Der Onbuhimo (kurz Onbu) ist eine Fullbuckle-Trage ohne Bauchgurt. Das bedeutet, die Schulterträger gehen einmal oben vom Rückenteil weg und schließen seitengleich unten am Rückenteil wieder an. Das Gewicht liegt dadurch komplett auf den Schultern. Ein Onbuhino ist geeignet für Kinder, die bereits sitzen können.
Grundsätzlich ist der Onbuhimo zum Rückentragen gedacht, allerdings kann man damit natürlich auch vor dem Bauch tragen. Ob das ohne gewichtsabnehmenden Bauchgurt bequem ist, sei dahingestellt.
Ein Onbu ist super in der Schwangerschaft, wenn das ältere Kind noch getragen werden möchte. Ein weiterer Vorteil ist das kleine Packmaß und das schnelle Anlegen. Für unentschlossene "hoch-runter-hoch-Kinder" ein super Kompromiss. Oder als Backup bei Ausflügen, bei dem das Kind doch eigentlich laufen wollte...
Die Halfbuckle-Trage
Die Halfbuckle ist, wie der Name vermuten lässt, halb zu schnallen. Die Trage besteht aus einem Bauchgurt, der zum Schnallen ist, einem Rückenteil und (meist) gepolsterten Schulterträgern zum Binden. Der MeiTai ist identisch aufgebaut, jedoch ist dabei auch der Bauchgurt zum Binden.
Das Binden der Träger muss erlernt und geübt werden, um ein gutes Trageergebnis zu erreichen und scheint auf den ersten Blick kompliziert und zeitaufwendig. Allerdings ist die Halfbuckle ziemlich schnell angelegt, wenn man routiniert ist. Auch der Weg auf den Rücken scheint recht aufwendig mit den Tuchsträngen. Da scheint eine Fullbuckle bei viele Eltern mehr Sicherheit zu vermitteln. Aber auch hier gilt: Übung ist alles!
Ein großer Vorteil der Halfbuckle-Trage ist, dass sie problemlos von verschiedenen Personen benutzt werden kann, da die Schulterträger sowieso jedes Mal neu gebunden werden müssen. Davon abgesehen lassen sich die Träger oft besser an den Körper der tragenden Person anpassen an und können ganz individuell optimiert werden.
Die Wrapconversion
Die Wrapconversion (die Tuchumwandlung) ist eigentlich eine Halfbuckle mit breit auffächerbaren Trägern aus Tragetuchstoff.
Auch hier liegt der Vorteil in der Flexibilität. Mit den Trägern kann man allerlei anstellen, sodass die Trage optimal auf die tragende Person, sowie das Kind angepasst werden kann. Mit einer Wrapconversion ist man absolut frei, was Tragekomfort, körperliche Gegebenheiten und "Schnelligkeit" beim Anlegen betrifft - sofern die Anlegetechnik beherrscht wird. Auch hier gilt wieder: Übung ist alles! Das Straffen der Tuchbahnen muss für ein schönes Ergebnis erlernt und sorgfältig angewandt werden.
Ein zusätzlicher Pluspunkt der Wrapconversion: man kann damit unglaublich bequem auf der Hüfte tragen! Selbstverständlich kann ich auch mit anderen Tragen, beispielsweise den meisten Fullbuckles auf der Hüfte tragen, jedoch längst nicht so komfortabel!
Hüfttrageweise einer Wrapconversion
Der Ringsling
Der Ringsling ist ein Tragetuch, an dessen Ende zwei Ringe befestigt sind. Das Tuch in den Ringen kann dabei gerafft oder gefaltet um die Ringe genäht sein.
Beim Ringsling liegt das Gewicht des Kindes immer nur auf einer Schulter, deshalb würde ich davon abraten, den Sling als alleiniges Tragehilfsmittel im Alltag einzusetzen, sofern viel getragen wird. Für längere Spaziergänge oder Mittagsschläfchen gibt es wesentlich bessere Lösungen.
Dafür ist der Ringsling super schnell rausgekramt und angelegt. Also ideal für kurze Wege, beim Kinderarzt-Termin oder als Backup, wenn das Kind nicht mehr laufen möchte. Dazu kann ich den Stoff in den Ringen bereits vorbereiten und den Sling einsatzbereit in der Handtasche verstauen oder an die Garderobe hängen.
Ein weiterer Plus-Punkt: ein Sling ist super zum Stillen geeignet. Mehr dazu findest du in folgendem Blogbeitrag:
Das Tragetuch
Der altbewährte Klassiker.
Dabei gilt zwischen elastischem und gewebtem Tuch zu unterscheiden, denn damit sind jeweils unterschiedliche Binde- und Trageweisen möglich.
Das elastische Tragetuch besteht meist aus Baumwoll-Jersey und muss in den meisten Fällen immer 3-lagig gebunden werden um die Elastizität ausreichend auszugleichen, sodass das Baby optimal gestützt ist. Dafür passt es sich ideal an die Körper von Baby und tragender Person an. Die Tragedauer ist bei den meisten Herstellern eingeschränkt. Manche empfehlen die Nutzung bis 9kg, andere bis maximal 12 kg.
Das gewebte Tuch ist ausschließlich diagonal dehnbar um gleichzeitig die notwendige Festigkeit, als auch Anschmiegsamkeit zu ermöglichen. Insgesamt fühlt es sich aber fest an.
Bei gewebten Tüchern gibt es eine riesige Bandbreite an Materialien, Farben, Mustern, Webungen und Längen. Auch das Flächengewicht ist zu berücksichtigen, denn das kann die Handhabung und die Eigenschaften des Tuchs wesentlich beeinflussen.
Mit dem festen Tuch gibt es keine Grenzen. Je nach Material und Webungsart ist es sicherlich möglich, einen erwachsenen Menschen damit zu tragen (keine Empfehlung - denkt an euren Beckenboden!). Eine einmalige Anschaffung also, weil ich keine Trage in Kleinkindgröße nachkaufen muss. Auch kann das Tragetuch bereits bei sehr kleinen oder zu früh geborenen Kindern zum Einsatz kommen.
Der größte Nachteil des Tuchs ist wohl das Binden. Es scheint aufwändig und kompliziert, vielschrittig und zeitintensiv. Auch hier gilt wieder: Übung ist tatsächlich alles. Und die Bindeweise! Es gibt aufwändige Bindeweisen und super schnelle. Schöne Finishes, die nochmal zusätzlich Zeit benötigen aber hübsch aussehen, oder simple Doppelknoten.
Egal wie ich das Tuch binde, die Handgriffe dafür müssen sitzen und geübt werden! Ist das der Fall, kann man ein Tuch selbstredend ganz "nebenbei" binden.
Fazit
Es gibt nicht die Tragehilfe. Keine der verschiedenen Tragehilfen ist im wesentlichen besser als die anderen. Es gibt nur eure Tragehilfe. Ähnlich wie die Lieblingsjeans, die einfach so gut sitzt wie keine andere. Oder das paar Schuhe, das einfach so unfassbar bequem ist und man es deshalb vermutlich noch ewig behält. Oder eben das Auto, dass perfekt zu eurem Familienalltag passt.
Wenn du mehr Infos möchtest und dich dabei mit gleichgesinnten Trageeltern austauschen möchtest, freue ich mich jetzt schon, dich im Tragehilfen-Workshop zu sehen! Dort erzähle ich dir nochmal genauer die Unterschiede ganz alltagsnah und natürlich bekommst du eine Menge Profi-Tipps rund ums Tragen! Selbstverständlich bringe ich dazu einige Tragehilfen mit, sodass du die Unterschiede wörtlich "begreifen" und Fehlkäufe vermeiden kannst.
Hier kannst du dich anmelden:
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Tolle Übersicht und sehr informativ!