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Must know: gewebte Tragetücher

Alles was du über "feste", also gewebte Tragetücher wissen musst: welche Länge brauchst du? Was ist eigentlich das Flächengewicht? Welche Bindeweisen eignen sich gut für Anfänger/innen? Wie du das passende Tuch für dich findest, kannst du hier lesen!


Werbung: der folgende Beitrag enthält verschiedene Marken und Markennennungen.

Wickelkreuztrage binden Camilou Tragetuch Oxalis

Tragetücher sind der klassische Allrounder wenn es um das Tragen von Kindern jeglichen Altersstufen geht. Sie sind die flexibelste und vielseitigste Tragehilfe und bieten durch die große Auswahlmöglichkeit an Bindeweisen maximalen Komfort.


Früher oft als "Öko" abgestempelt, gibt es mittlerweile Tücher in den schönsten Farben und Designs, sodass ein Tragetuch durchaus absolut modisch sein kann.

Welche Vorteile du mit einem Tragetuch bekommst und worauf du achten solltest, liest du im folgenden Blogbeitrag zum Thema "Must know: gewebte Tragetücher".


Bevor wir starten möchte ich mich noch kurz bei meinen geschätzten Kolleginnen Melanie (www.mamamonkey.de) und Vicky (www.camilou.de) für die Bereitstellung ihrer Bilder und Videos von Herzen bedanken!


Vorteile von gewebten Tragetüchern


Mit einem (!) Tragetuch kommt ihr die gesamte Tragezeit über aus. Vom Neugeborenen bis zum Kindergartenkind könnt ihr euer Kind mit dieser alleinigen Tragehilfe tragen. Es ist also keine Folgegröße wie bei den allermeisten Tragen notwendig.

Aber zugegeben: es bleibt selten bei einem Tuch ;-.) es gibt einfach viel zu viele Schönheiten und Möglichkeiten da draußen.


Und das bringt mich gleich zu meinem nächsten Punkt: durch die lange Passform ist ein Tragetuch das Mittel er Wahl, um zwei Kinder unterschiedlichen Alters in ein und derselben Tragehilfe zu tragen. Perfekt also, wenn mehrere Kinder in einem Haushalt leben, die beide gerne unabhängig voneinander oder sogar zusammen getragen werden möchten (oder müssen).


Tragetuch kaufen, zwei Kinder in einem Tragetuch tragen
zwei Kinder in einem Tuch: das Kleinkind auf dem Rücken, das Baby vorne

Noch dazu können Tragetücher wunderbar umfunktioniert werden. Als Schal, als Wickelunterlage, als Decke, schnellen Hüftsitz oder als Hängematte - ein Tragetuch ist definitiv vielseitig einsetzbar.



Dabei bietet nicht nur die Funktionalität große Flexibilität, sondern auch die riesige Auswahl an Materialien, Haptik, Dicke und etlichen Designs. Auch preislich bekommt man beim Tragetuch sicherlich das größte Preis-/Leistungsverhältnis. Gebrauchte Tücher finden sich zu Hauf in nahezu tadellosem Zustand. Im Gegensatz zu Tragen kann bei einem Tuch kaum etwas kaputt gehen.


Wer etwas ganz besonderes möchte, kann sich auch in das sog. Rabbithole (dt. "Hasenbau") wagen und nach Handwoven (handgewebten) Tragetüchern suchen. Hier kannst du dir in Absprache dein Wunsch-Tuch ("Custom") weben und sogar besticken lassen. Selbstverständlich kosten die Tücher dann auch entsprechend mehr Geld. Dafür haben handgewebte Tücher Bindeeigenschaften auf einem ganz anderen Level.


Ein weiterer Vorteil von Tragetüchern ist die große Bandbreite an Möglichkeiten, das Kind zu tragen. Ein Tuch passt sich ohne jegliche Einstellungen an Kind und tragende Person an. Eins für alle sozusagen. Die Bindeweisen können dabei ständig variiert werden, sodass sich auch das Tragegefühl ändert und andere Muskelgruppen beansprucht werden. Hast du beispielsweise Schmerzen in der Schulter, kannst du eine Bindeweise wählen, bei der nur ein oder gar kein Tuchstrang auf der/den Schulter/n verläuft.



Oder du versuchst eines von zahlreichen Finishes (dt.: Abschlüsse), um den Look deiner Bindeweise zu verändern - dir sind dabei nur wenige Grenzen gesetzt.

Wenn du neugierig geworden bist, schau gerne auf meinem Instagram Profil vorbei, hier findest du ein paar Anleitungen.



Die richtige Tuchlänge


Die Tuchlänge ist abhängig von deinem Körperumfang und der gewünschten Bindeweise. Es gibt Techniken, da wird mehr Tuch benötigt, oder auch weniger. "Lieber zu viel als zu wenig" ist dabei nicht immer hilfreich, wenn du noch etliches an Tuch irgendwo bequem unterbringen musst.


Wenn du nach Anleitungen von Bindeweisen suchst, wird die benötigte Länge meistens folgendermaßen angegeben:

Basesize -/+ X

Die Basesize entspricht dabei der Länge, die DU benötigst, um eine klassische Wickelkreuztrage (WXT) zu binden.


Wickelkreuztrage Didymos Tragetuch Crepelino Kupfer

Somit können unterschiedliche Personen ganz unterschiedliche Tuchgrößen benötigen, weshalb es keinen Sinn machen würde, für eine Bindeweise immer Tuchgröße XY zu empfehlen. Die Tuchgrößen entsprechen dabei in etwa folgenden Längen:

Tragetuchgröße

Länge ab ca.

Gr. 2

2,60 m

Gr. 3

3,20 m

Gr. 4

3,70 m

Gr. 5

4,20 m

Gr. 6

4,70 m

Gr. 7

5,20 m

Gr. 8

5,70 m


Je mehr Minus oder Plus also nach deiner Basesize angegeben wird, desto weniger oder mehr Tuch benötigst du für diese Bindeweise. Angenommen deine Basesize ist eine Gr. 6, dann benötigst du für den "einfachen Rucksacksack mit tibetanischem Finish" eine "Basesize - 2", in dem Fall also eine Gr. 4.


Das bedeutet nicht, dass du jeweils ein Tuch in jeder Größe benötigst! Deine Basesize reicht völlig und vielleicht möchtest du später als Ergänzung noch ein "Shorty", also ein kurzes Tuch dazu. Kürzere Tücher sind praktisch für schnelle Bindeweisen, die aber meist das Gewicht langfristig nicht großflächig verteilen. Längere Tücher dagegen sind praktisch, wenn du zwei Kinder gleichzeitig tragen möchtest.


Zwillinge im Tragetuch tragen

Die Materialien


Baumwolle, Leinen, Bambus, Hanf, Wolle, Seide, Kaschmir, Alpaka, Kamelhaar, Lyocell, Eukalyptus, Seacell, uvm. Es gibt nichts, was es nicht gibt. Die verwendeten Materialien werden als "Blend" bezeichnet.

Ich versuche mal, einen groben Überblick über die gängigen Materialien und deren Eigenschaften zu geben:


Baumwolle
  • pflegeleicht, darf auch mal in den Trockner

  • kostengünstig

  • weich

  • hautfreundlich/geeignet bei Neurodermitis

  • strapazierfähig


Leinen
  • sehr stabil

  • verknittert leicht

  • anfangs störrisch und hart, wird aber mit der Zeit weich

  • griffig

  • temperaturregulierend, luftzirkulierend

  • benötigt in der Herstellung weniger Wasser und Pestizide als Baumwolle


Hanf
  • ähnlich wie Leinen anfangs störrisch und dann weicher werdend

  • griffig

  • benötigt im Anbau weder Pesitzide noch Herbizide

  • eine der haltbarsten Naturmaterialien

  • temperaturregulierend, luftzirkulierend


Bambus (Viskose)
  • i.d.R. wird Bambus als Viskose verwendet und nicht als reine Bambusfaser

  • bei der Herstellung von Viskose werden Unmengen an Wasser und giftigen Chemikalien verwendet

  • die Eigenschaften der ursprünglichen Faser gehen dabei verloren

  • schimmert seidig, vegane Alternative zu Seide

  • fühlt sich glatt und kühl an

  • knitterarm

  • schonende Pflege notwendig


Lyocell/Tencel
  • wird aus Holz gewonnen

  • im Gegensatz zu Viskose wird dafür organisches Lösungsmittel verwendet

  • trotzdem benötigt die Herstellung viel Wasser und Energie

  • Lyocell kann in verschiedenste "Arten" von Stoffen verarbeitet werden

  • kompostierbar

  • hohe Zugfestigkeit

  • schonende Pflege notwendig


Seide
  • sehr leicht und gleichzeitig stabil

  • schimmert edel

  • sehr glatt und kühl

  • empfindlich in der Pflege

  • die Gewinnung von Seide hat ethische Kritikpunkte, da bei der Herstellung lebendige Raupen in heißem Wasser gekocht werden

  • Außnahme: sog. "Peace Silk"

  • pflegeaufwändig

  • teuer


Wolle
  • selbstreinigend

  • temperaturregulierend (wärmend und kühlend)

  • nimmt viel Feuchtigkeit auf, ohne sich nass anzufühlen

  • formstabil, knittert nicht

  • nachwachsend und umweltfreundlich

  • unbedingt Tierwohlstandards beachten!

  • sehr griffig

  • pflegeaufwändig


Der Tragetuchstoff wird aus einer sog. "Kette" und einem "Schuss" gewebt. Grob erklärt ist die Kette ist dabei die Summer aller Kettfäden, die in gleicher Länge vertikal im Webstuhl verlaufen und damit quasi das "Grundgerüst" des Stoffs bilden. Der Schussfaden wird dann horizontal durch die Kettfäden gewebt. Somit kann z.B. die Kette aus Baumwolle und der Schuss aus Wolle bestehen, wodurch ein toller Mischblend entsteht.


In (Ver)kaufsgesuchen wird manchmal auch die Bezeichnung "all XY" oder "no XY" angegeben. Damit wird dann explizit ein Material gewünscht oder ausgeschlossen. Z.B. "all Silk" oder "no Cotton". Manchmal wird auch explizit nach einem "easycare" gesucht - ein Tuch, dass pflegeleicht ist.


Nachhaltigkeit ist für mich persönlich ein wichtiges Thema. Tragetücher kommen grundsätzlich komplett ohne Kunststoff aus - ausgenommen sind bei manchen Tüchern eingewebte Glitzerfäden aus Polyester - und trotzdem lohnt sich meiner Meinung nach ein Blick auf die verwendeten Materialen und deren Herstellungsverfahren. Immerhin wickeln wir unser Wichtigstes damit direkt ein und Schadstoffe oder Chemikalien gehören nicht auf Kinderhaut. Ein Gebraucht-Kauf lohnt sich deshalb meiner Meinung nach auch immer! Gebrauchte Tücher sparen Geld, Ressourcen, sind schon schön weich eingekuschelt und die meisten Schadstoffe falls vorhanden, sicherlich schon ausgewaschen.

Mehr zum Thema Gebrauchtkauf findest du hier.


Die Webart


Neben dem verarbeiteten Material spielt die Webart eine große Rolle. Die Produktion auf den Webstühlen habe ich bereits grob angeschnitten. Wie der Schuss in die Kettfänden eingearbeitet wird, wirkt sich sowohl auf das Design, als auch auf die Haptik und die Bindeeigenschaften des Tuchs aus.


Hier entsteht gerade ein "Oxalis" von Camilou - ein absolut tolles Tuch!

Grundsätzlich wird Tragetuchstoff immer so gewebt, dass der Stoff diagonalelastisch ist. Das bedeutet, zu den Kanten hin ist das Tuch fest, zieht man aber schräg daran, gibt es etwas nach. Dadurch sind Tragetücher besonders anschmiegsam und anpassungsfähig.


Für Tragetücher werden in aller Regel folgende Webarten verwendet (keine Garantie auf Vollständigkeit):

Musselin
  • einfache Leinwandbindung ("eins drüber/eins drunter")

  • wird meist mehrlagig gewebt, um ausreichende Stabilität zu erreichen (double-/triple Gauze)

  • dadurch entstehen kleine Luftkammern und der Stoff ist besonders leicht, atmungsaktiv, voluminöser und fluffig

  • anfällig für Fadenzieher durch die lockere Webung


Tragetuch aus Musselin von Schmusewolke

 

Doubleweave/Doubleface
  • Doppelgewebe, aufwändig in der Herstellung

  • der Stoff besteht aus zwei Lagen, die entweder direkt miteinander verwebt oder nur punktuell miteinander verbunden werden

  • je nachdem wie beide Lagen miteinander verbunden werden, ist der Stoff fest und blickdicht, oder (ähnlich wie Musselin) locker-voluminös

  • dadurch ergeben sich zwei unterschiedliche Seiten des Tuchs, womit sich viele Looks kreieren lassen, ohne eine "unschöne" Tuchseite zu zeigen

  • der Unterschied zum Musselin/Doublegauze ist die Webart. Musselin ist ein Leinwandgebilde, ein Doubleface kann beispielsweise aus Kreuzkörperwebung bestehen


Links ein Doubleface, rechts ein Doubleweave mit punktueller Verwebung


 

Jaquard
  • eine aufwendige Webtechnik, die komplizierte Muster und ganze Bilder auf den Tüchern ermöglicht

  • dadurch teurer in der Herstellung

  • kann sich glatt oder erhaben anfühlen (siehe Bild)

  • rückseitig zeigt sich das Negativ des Musters

  • durch komplexe Muster anfälliger für Fadenzieher oder Knötchen




 

Kreuzköper
  • weich, glatt und geschmeidig

  • robust und formstabil, knittert nicht so leicht

  • unifarben oder Streifenmuster

  • "dichter" gewebt, dadurch stabil aber nicht so luftdurchlässig

  • einfacher in der Herstellung, kostengünstiger


Tragetuch Kreuzkörperwebung Storchenwiege

 
Diamantköper
  • robust und gleichzeitig sehr geschmeidig

  • sehr hohe Strapazierfähigkeit durch gleichmäßig verteilte Belastungspunkte

  • symmetrisches, rautenförmiges und leicht erhabenes Muster

  • dadurch eher griffig

  • aufwendiger in der Herstellung


Tragetücher Diamantkörper

 

Herringbone/Fischgrat
  • charakteristisches Zickzack-Muster

  • reißfest und haltbar

  • gleichzeitig nachgiebig und anschmiegsam

  • in der Diagonalen elastischer als andere Webarten

  • fällt fließender


Tragetuch Fischgrätenmuster

 

Ganz grob lässt sich sagen: je mehr Struktur ein Tuch durch die Webart hat, desto griffiger wird es und desto mehr Widerstand und Reibung gibt es beim Binden oder Straffen.


Glatte Tücher hingegen neigen dazu, gerne mal zu verrutschen, gleiten dafür aber besser übereinander, wodurch das Binden erleichtert wird (wenn alles an Ort und Stelle bleibt).


Die Kombination aus Webart und Material bestimmt, wie sich ein Tragetuch beim Binden verhält. Besonders bei mehrlagigen Bindeweisen, bei denen das Tuch quasi übereinander gezogen wird, spielt das eine große Rolle. Je nachdem, ob das Tuch eher glatt und geschmeidig oder griffig und fest ist, lässt es sich leichter nachziehen oder bleibt besser an Ort und Stelle (statt zu verrutschen).


  • Glattere Webarten wie Kreuzköper gleiten mühelos durch die Bindeweise, was das Nachziehen erleichtert. Allerdings können sie bei mehreren Lagen etwas rutschig sein.

  • Griffige Webarten wie Diamantköper bieten mehr Halt und Stabilität, lassen sich aber möglicherweise schwerer nachstraffen.


Auch das Material beeinflusst das Tragegefühl:


  • Seide und Viskose machen das Tuch geschmeidig und leicht nachziehbar, lassen es aber eher verrutschen.

  • Wolle und Leinen sorgen für mehr Griffigkeit und festen Sitz, können aber beim Nachziehen etwas mehr Widerstand bieten.

  • Baumwolle ist ein vielseitiger Allrounder, der je nach Webart sowohl glatt als auch griffig sein kann.


Eine glatte Webart in Kombination mit einem glatten Material wird ein ziemlich rutschiges Tuch ergeben. Wohingegen ein Tuch aus griffigem Material in einer stark strukturierten Webart eher etwas unbeweglich erscheint.


Letztendlich hängt es von deinen persönlichen Vorlieben und der gewählten Bindeweise ab, ob ein weicher, „flutschiger“ Stoff oder ein fester, griffiger besser für dich passt.


Ein ausgewogenes Grip/Glide-Verhältnis sorgt am Anfang für die nötige Balance zwischen Halt und Gleitfähigkeit.


Wenn du geübt bist, wirst du herausfinden, ob du lieber mehr Grip oder mehr Glide möchtest. Je nachdem, welche Bindeweisen du am liebsten und am meisten nutzt, ist das eine oder das andere eher von Vorteil.


Das Flächengewicht


Noch nicht genug? Dann befassen wir uns an dieser Stelle noch mit dem Flächengewicht.

Bei jedem Tuch (und auch bei den meisten Tragen) ist das ominöse Flächengewicht angegeben und gibt Auskunft darüber, wie dick das Tuch ist. Du bekommst also eine Idee, ob das Tuch eher "Typ Seidenschal" oder "Teppichläufer" ist.


 

Eingeordnet werden Flächengewichte in

  • sehr leicht < 180g/m²

  • leicht 200-240g/m²

  • mittel 240-260g/m²

  • schwer 260-300g/m²

  • sehr schwer > 300g/m²

 

Je niedriger das Flächengewicht und je dünner somit das Tuch ist, desto weniger Stoff müssen deine Hände auch bewältigen ("Seidenschal"). Allerdings liegt das Tuch dann auch feiner auf deinen Schultern auf, wodurch du wirklich sehr sorgfältig straffen musst, damit dich einzelne Strähnen nicht punktuell einschneiden (linkes Bild unten).

Umgekehrt liegt ein schweres Tuch ("Teppich") flächiger auf. Dafür hast du auch eine größere Masse an Stoff zu händeln, wodurch das Binden und Verknoten erschwert sein kann.


Links ein dünnes Tuch (135g/m²), rechs ein dickeres (286g/m²)


Es herrscht die allgegenwärtige "Weisheit", dass ein höheres Flächengewicht durch die breitere Gewichtsverteilung "brockentauglich", also für ältere Kinder geeignet sei. Pauschal kann ich hier nicht zustimmen. Wenn du mit viel Stoff in den Händen nicht gut zurecht kommst, wirst du das Gewicht eines größeren Kindes auch nicht gut in ein Tuch eingebunden bekommen.


Stell dir nun mit diesem Wissen ein hauchzartes, dünnes und glattes Tuch aus reiner Seide vor – und nun das genaue Gegenteil: ein schweres, stark strukturiertes Tuch aus Hanf. Merkst du den Unterschied? Genau hier wird es spannend, denn die Materialeigenschaften, die Webart und das Flächengewicht beeinflussen sich gegenseitig und können ihre jeweilige Wirkung abschwächen oder verstärken.


Im Zusammenspiel mit dem Blend, der Webart und dem Flächengewicht kann also am Ende ein störrischer Teppichläufer oder ein zartes, rutschiges Tüchlein herauskommen. Beides nicht optimal, wenn du bequem tragen möchtest. Deshalb experimentieren Hersteller lange an der perfekten Kombination, um die jeweiligen Eigenschaften perfekt auszugleichen.


So kann sich beispielsweise ein schweres Tuch mit hohem Flächengewicht aus Wolle trotzdem geschmeidig binden lassen, wenn die Webung glatt ist. Und ein Blend aus Baumwolle/Seide kann trotz niedrigem Flächengewicht durch eine strukturierte Webart griffig sein.


Das heißt: Du musst dich nicht für oder gegen ein bestimmtes Material oder Design entscheiden, nur weil du eine bestimmte Eigenschaft im Kopf hast. Oft gleichen sich die verschiedenen Faktoren wunderbar aus – und am Ende zählt, wie sich das Tuch für dich anfühlt.


Falls du jetzt denkst: "Hilfe, das ist mir zu kompliziert!" – keine Sorge! Lies einfach weiter, denn ich fasse am Ende alles für dich zusammen und gebe dir ein paar Tipps für ein Tragetuch, das perfekt für Anfänger:innen ist.


Die richtige Bindeweise


Wusstest du, dass es weit aus mehr als 100 verschiedene Bindeweisen gibt?

Egal in welcher Lebenslage du dich gerade befindest, ein Tuch macht es mit! Von luftigen einlagigen Bindeweisen im Sommer, bis hin zu kuscheligen 3-lagigen Bindeweisen im Winter - keine Tragehilfe ist so flexibel wie das Tuch. Möchtest du etwas Abwechslung oder bestimmte Muskelgruppen be- bzw. entlasten, kannst du auch hier nach belieben variieren.

Egal ob du ein Baby oder ein Kleinkind, Zwillinge oder Geschwisterkinder unterschiedlichen Alters tragen möchtest, dir stehen alle Möglichkeiten offen (sofern das Tuch lang genug dafür ist).


Links die einlagige Känguru-Bindeweise, rechts die doppelte Kreuztrage (zweilagig)


Dabei gibt es ein paar "Grundbindeweisen" und der Rest wird jeweils modifiziert, woraus sich dann viele unterschiedliche Bindeweisen ergeben. Was sich auf den ersten Blick also super kompliziert anhört, ist im Prinzip immer das Selbe. Davon abgesehen: wer gelernt hat, sich die Schnürsenkel zu binden, schafft es auch ein Tragetuch richtig anzulegen. Letztendlich ist das Binden eine Art "auswendig Lernen" von Schritten. Wenn man das einmal raus hat, bindet man das Tuch quasi im Schlaf.


Für Anfänger/innen geeignet ist die klassische Wickelkreuztrage. Meist liegt beim Kauf eines neuen Tragetuchs auch genau dazu die Anleitung bei. Die Bindeweise ist symmetrisch, einlagig und relativ gut zu erlernen.


Wickelkreuztrage mit Lexitwist Frühchentragetuch Hoppediz

Ebenso einfach gehalten ist der "einfache Rucksack" auf dem Rücken. Auch das Tragen auf dem Rücken ist mit einem Tuch kein Hexenwerk. Herausfordernd sicherlich - ein bisschen Angst schwingt am Anfang immer mit. Aber das tut es auch bei anderen Tragesystemen ;-)


Almitra Tattva Tragetuch einfacher Rucksack Kleinkind auf dem Rücken tragen

Zum Erlernen von Hüfttrageweisen empfiehlt sich die Hüftschlinge.


Hüfttrageweise mit Tragetuch Hüftschlinge Kokadi

Den Abschluss von Bindeweisen nennt man Finish. Hier kannst du dich abhängig von deiner Tuchlänge kreativ austoben und immer wieder neue Looks ausprobieren. Inspirationen dazu findest du beispielsweise auf Youtube oder meinem Instagramprofil. Eine zusätzliche Option dafür sind spezielle Ringe, deren Größe (S/M/L) je nach Dicke des Tuchs gewählt werden und sind eine tolle Möglichkeit, wenn die Tuchenden für einen ordentlichen Knoten zu kurz sind.


CandyCaneChestbelt Tragetuch Finish Artischocca Camilou
DoubleHammock (DH) mit Candy-Cane-Chestbelt (CCCB) als Finish

Must know: Tragetücher - Zusammenfassung


Das Material (Blend) mit seiner individuellen Oberflächenstruktur in Kombination mit der Struktur durch die Webart und der Dicke pro Quadratmeter (Flächengewicht) ergeben am Ende die Bindeeigenschaften des Tuchs. Dabei verstärken sie sich gegenseitig oder gleichen unerwünschte Effekte aus.


Somit ist "Baumwolltuch" niemals gleich "Baumwolltuch", selbst wenn es vom selben Hersteller kommt, aber anders verarbeitet wurde.


Am besten fängst du mit einem pflegeleichten ("easycare") Tuch an, dass du ruhig auch mal in den Trockner werfen darfst. Einfache Tücher mit einem mittleren Flächengewicht und einer eher glatten Struktur aus Baumwolle eignen sich für den Anfang sehr gut. Vor allem kleine Babys spucken gerne mal und lassen sich möglicherweise nur unter Protest ablegen - da wäre ein Tuch, dass nur per Hand gewaschen und luftgetrocknet werden darf ungünstig. Andererseits wirst du nie wieder so viel tragen, wie in den ersten Monaten, deshalb lohnt es sich, recht früh damit anzufangen "dein" Tuch zu suchen.

Euer erstes Tuch kannst du guten Gewissens gebraucht kaufen, die sind meistens schon schön weich eingetragen und mehrmals gewaschen und dazu noch kostengünstig. Nimm ruhig auch das mit dem schönsten Design, damit du Freude am Üben hast.


Der "Klassiker":
  • Baumwolle

  • 220-260g/m²

  • "glattes" Jaquard/Kreuzköper/Fischgrat/Doubleface

  • Basesize

  • Wickelkreuztrage (WXT)/einfacher Rucksack (ER)/Hüftschlinge


Im Tun wirst du feststellen, welche Eigenschaften des Tuchs dir lieber wären. Vielleicht möchtest du etwas Stabileres, vielleicht möchtest du aber auch ein ganz besonderes Design (ja - auch das spielt eine große Rolle! Ich ziehe nichts an, was mir nicht gefällt) oder etwas Kürzeres. So oder so, bist du bei einer Trageberaterin gut aufgehoben.

Ihr kannst du deine Kriterien oder Problemzonen nennen und bekommst das passende Tuch genannt oder sogar geliehen.


Wenn du "auf Gut Glück" testen möchtest, gibt es auch sog. "Urlauber". Das sind Tücher und auch Tragen, die gegen Porto an dich versendet werden und bei dir "Urlaub" machen. Meistens mit dem Auftrag dahinter, die jeweilige Tragehilfe "einzukuscheln". Du findest solche Communitys zum Beispiel auf Facebook.


Grundsätzlich ist ein Tragetuch die flexibelste und vielseitigste Tragehilfe, die du nutzen kannst. Selbst wenn die Kinder längst Lauflinge sind, lassen sich die Tücher zu vielen Projekten upcyclen, sodass du geliebte Stücke weiterhin z.B. als Sofakissen oder Kleidungsstück nutzen kannst. Alternativ kannst du dir aus Tüchern, die du vielleicht hübsch findest, aber nicht gerne bindest. zu einer Trage umnähen lassen.


Und ja, das Binden muss man lernen. Und ja - das Binden dauert länger als eine Trage anzulegen. Hier kannst du dir vorgebundene Techniken anschauen, die gleichzeitig auch vermeiden, dass Tuchenden am Boden schleifen.

Abschließend möchte ich an dieser Stelle sagen, dass wir uns wieder mehr Achtsamkeit im Umgang mit unseren Kindern erlauben sollten. Vor allem dann, es besonders stressig ist und schnell gehen sollte brauchen Kinder von uns Halt und Sicherheit. Gerade dann sollten wir einen Moment innezuhalten, tief durchatmen und bewusst da sein. Denn für unsere Kinder zählt nicht, wie schnell wir sind – sondern wie präsent wir sind. 💛

 
 
 

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