Alles was du wissen musst, um dein Kind auch in den warmen Monaten angenehm tragen zu können und gleichzeitig vor UV-Strahlung und Sonnenschäden zu schützen.

Spoiler: ums Schwitzen beim Tragen kommt man nicht herum! Dabei spielt es keine Rolle, ob unter großer Anstrengung auf dem Arm, oder mit beiden Händen frei in einer Tragehilfe getragen wird. Schwitzen ist bekanntlich gut und richtig so. Denn Schwitzen kühlt sowohl die tragende Person, als auch das Baby. Trotzdem kann sich der nasse Haut-auf-Haut-Kontakt ziemlich unangenehm anfühlen.
Gleichzeitig stehen Eltern in den Sommermonaten oft vor dem Dilemma, dass Babys unter einem Jahr keiner direkten Sonnenstrahlung ausgesetzt werden sollen, Sonnencreme unter einem Jahr auch nicht empfohlen wird und die Sonne im Alltag konsequent zu meiden oft schwieriger scheint als gedacht.
Noch eins vorweg: bevor das Baby Hautschäden durch UV-Strahlung bekommt, weil Sonnenstrahlung nicht vermieden werden kann, lieber Sonnencreme nutzen - auch wenn sie nicht empfohlen wird! Manchmal muss man einfach das kleinere Übel wählen.
Möchtest du dich genauer mit dem Thema Sonnencremes bei Kindern befassen, empfehle ich dir "annisbuntewissenschaft" auf Instagram. Sie ist Biologin und informiert umfassend zu dem Thema.
Ich stelle dir im Folgenden mehrere Möglichkeiten und Tricks vor, wie du auch im Sommer bequem und sicher tragen kannst und was absolute No-Go's sind.
Tragen im Sommer: die richtige Kleidung
Eine der häufigsten Fragen, die mir als Trageberaterin gestellt wird:
"Was ziehe ich meinem Baby in der Trage an?"
Und tatsächlich ist das pauschal gar nicht so leicht zu beantworten. Denn manche Kinder sind einfach wärmer oder kälter als andere. Ich kann die Unsicherheit absolut nachvollziehen, so ähnlich ging es mir bei der Kleidung nachts zum Schlafen. Die Tabellen, die nach der jeweiligen Raumtemperatur die passenden Kleidungsvorschläge aufführen, haben nie zu uns gepasst und ich hatte anfangs stets die Sorge, ob das Kind nun zu viel oder zu wenig anhat.
Genauso wie nachts beim Schlafen lässt sich auch in der Tragehilfe die Körpertemperatur wunderbar im Nacken bzw. zwischen den Schulterblättern des Kindes erfühlen. Und das tolle am Tragen ist ja, dass man jede Veränderung am Kind direkt spürt.
Generell gilt die Tragehilfe als zusätzliche Kleidungsschicht. Bei Tüchern kommt es dabei auch auf die Bindeweise an, später dazu mehr. Es kann also durchaus notwendig sein, dem Kind eine Schicht Kleidung auszuziehen bevor man es am Körper trägt. Selbstverständlich kann ein Kind auch gänzlich ohne Kleidung in die Tragehilfe.
An Kleidung bevorzuge ich Naturfasern. Zum einen nehmen sie mehr Feuchtigkeit auf, fühlen sich kühler an und sind luftdurchlässiger. Zum anderen aus Nachhaltigkeitsgründen. Ich möchte einfach kein Plastik auf meiner Haut und erst recht nicht auf der Haut meiner Kinder. Für uns hat sich lange Kleidung aus Wolle/Seide bewährt, egal ob Erwachsene oder Kinder. Aber auch Leinen und Baumwolle haben sich bewährt. Musselin ist zwar super leicht und luftig, lässt aber leider auch viel UV-Strahlung durch. Wie hoch der UV-Schutz der Kleidung ist, ist abhängig von der Dichte des Gewebes und pauschal nicht zu beantworten. Ein Spucktuch über die nackten Beine zu hängen reicht nicht als Sonnenschutz!

Alle Körperstellen die von geeigneter Kleidung bedeckt sind, müssen schon mal nicht eingecremt (und abends wieder abgewaschen) werden. Deshalb macht es Sinn, lange und luftige Kleidung zu tragen. Sind Hose und Oberteil ein bis zwei Nummern zu groß, kommt genug Luft an die Haut und gleichzeitig werden die Hände und Füße mit bedeckt.

Alternativ können dünne Stulpen aus Baumwolle oder Wolle/Seide eine Lösung sein, wenn das Kind ohne Hose in der Tragehilfe ist. Die Stulpen können an Armen und Beinen beliebig an- und ausgezogen werden, ohne das Kind aus der Tragehilfe nehmen zu müssen.
Auf Babys Kopf kommt selbstverständlich ein Sonnenhut mit breiter Krempe oder Sonnenschild und einem Nackenschutz!

Achtung: Lebensgefahr!
Niemals nie ist die Kopfstütze einer Trage ein Sonnenschutz! Das Kind atmet darunter die ausgeatmete Luft wieder ein und bekommt dadurch zu wenig Sauerstoff. Selbst wenn seitlich offenbar eine kleine Öffnung ist, bleibt die Luft unter der Kopfstütze stehen und es bilden sich darunter CO²-Nester.
Du kannst dir zum Selbstversuch gerne mal ein Handtuch über das Gesicht legen und 10cm davon entfernt ein kleines Stück anheben.
Mal abgesehen von der eingeschränkten Luftzufuhr sammelt sich darunter einfach auch wahnsinnig schnell Hitze.

Tragen im Sommer: How to
Die richtige Tragehilfe
Weiter oben im Text habe ich bereits die Bindeweisen mit dem gewebten Tragetuch erwähnt. Hier würde ich auf Bindeweisen setzen, die mit wenig Tuch auskommen, beispielsweise der einfache Rucksack oder das Känguru. Dafür reicht dann auch ein kurzes Tuch und du hast nicht so viel Stoff an dir. Falls du eh vorhast dir ein (weiteres) Tuch zu kaufen, achte auf Material und Flächengewicht. Leinen oder Baumwolle/Seide finde ich im Sommer sehr angenehm zu tragen. Möchtest du dich mehr mit dem Thema beschäftigen oder auf Tuchfühlung (Achtung Wortwitz!) gehen, melde dich jederzeit bei mir!
Das elastische Tragetuch hingegen muss mit wenigen Ausnahmen immer 3-lagig gebunden werden. Über dem Babyrücken sind am Ende also (zusätzlich zur Kleidung) drei (dünne) Lagen Stoff. Das kann für kleine Babys, die die Temperatur nicht halten können genau richtig sein. Das kann aber auch ganz schön warm werden.
Manche Tragenhersteller bieten eine Auswahl an Materialien beim Kauf einer Trage an. Für die tragende Person mag es weniger Auswirkungen haben, ob das Rückenteil nun aus Baumwolle oder Leinen besteht. Für das Kind hingegen schon. Manche Tragen sind im Rückenteil auch mehrlagig. Hier lohnt sich vorab, genauer hinzuschauen oder vor dem Kauf einen meiner Tragehilfen-Workshops zu besuchen.
Meist ist natürlich schon eine Tragehilfe vorhanden, ohne das jeweilige Klima berücksichtigt zu haben. Als Eltern hat man schon genug andere Dinge im Kopf!
Dann kann es sinnvoll sein, eine ergänzende Tragehilfe zur eigentlichen dazu zu holen. Das kann z.B. ein Ringsling sein, eine Wassertrage oder ein Onbuhimo.

Ein Ringsling ist ein Tragetuch mit zwei Ringen an einem Ende, das diagonal über dem Oberkörper der tragenden Person verläuft. Eine schnelle und luftige Art und Weise, das Kind zu tragen. Nachteilig ist die einseitige Gewichtsverteilung und eine eingeschränkte Schulterbeweglichkeit. Genauso wie beim Tragetuch sind die Möglichkeiten an Materialien und Flächengewichten beim Ringsling riesig.
Wassertragen sind eine gute Möglichkeit für Badeurlaube, Schwimmbadbesuche, um kurz mit Kind unter die Dusche zu springen, oder auch an Land nutzbar. Siehe hierzu meinen Testbericht des Minislings von Minimonkey. Durch die minimalistischen Maße und den Stoff aus Mesh wird das Tragen im Sommer etwas angenehmer. Die Nutzung im Wasser tut ihr übriges.
Ein Onbuhimo ist eine Trage ohne Bauchgurt, weniger geht eigentlich kaum. Der Nachteil dabei ist, dass das gesamte Gewicht auf den Schultern der tragenden Person lastet. Die Frage ist aber auch, wie lange man am Stück bei warmen Temperaturen tatsächlich trägt.
UV-Index beachten
Ab wann Sonnenschutz notwendig wird, und ab wann man ohne Sorge rausgehen kann, ist am UV-Index ersichtlich. Der UV-Index gibt die erwartete UV-Strahlenbelastung am Boden des jeweiligen Standortes an und wird in 11+ Stufen eingeteilt. Ab Stufe 3 gibt das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) vor, Schutzmaßnahmen zu ergreifen.
Überprüfen kannst du deinen aktuellen UV-Index in deiner Wetterapp oder über die Internetseite des BfS. Ich persönlich nutze dafür gerne die App "UV-Lens". Einfach Standort eingeben und schon sagt mir die App, in welchem Zeitraum ich mich und meine Kinder schützen muss.
Übertrieben? Mögen einige so sehen. Ich kenne leider mehrere Menschen im Alter über 50, die an Hautkrebs erkrankt sind und ich glaube nicht, dass das dadurch kommt, dass sie als Kinder übermäßig vor Sonnenstrahlung geschützt wurden. Außerdem haben wir heutzutage andere Wetterbedingungen als vor 50 Jahren.
Hilfsmittel beim Tragen im Sommer
Sonne und UV-Strahlung stets zu vermeiden ist meiner Meinung nach nicht möglich. Deshalb gibt es neben der langen Kleidung und einem Sonnenhut weitere Hilfsmittel, um dein Kind zu schützen:
Sonnencreme! Ist alle mal besser als ein Sonnenbrand!
UV-Cover. Das sind dünne "Decken" die sich eher kühlend anfühlen und über die Trage gehängt werden.
tragbarer Sonnenschirm. Zugegeben, etwas nervig ist es schon nur noch eine Hand frei zu haben. Für den Kinderwagen bräuchtest du aber auch mindestens eine Hand. Ein Sonnenschirm schützt dabei nicht nur dein Kind, sondern auch dich als tragende Person! Und du ziehst damit sicherlich viele Blicke auf dich ;-)

Tipps bei Hitze
"Kann das Baby in der Trage überhitzen?"
Eigentlich nicht. Das tolle am Tragen ist ja, dass die tragende Person alle Veränderungen sofort mitbekommt und prompt darauf reagieren kann. Die tragende Person merkt also sehr schnell, ob dem Kind zu warm wird. Es schwitzt, wird unruhig, hat eine sehr warme Haut und ein gerötetes Gesicht. Durch das Schwitzen der tragenden Person wird es stets mit gekühlt.
Spätestens wenn es die tragende Person nicht mehr aushält zu tragen, ist es völlig legitim, eine andere Lösung statt dem Tragen zu suchen.
Am meisten schwitzt man dort, wo Körper an Körper liegt. Also im Brust- und Bauchbereich. Hier kann es helfen, zwischen den Körpern ein Mulltuch zu legen. Das macht es auch etwas angenehmer, wenn das Baby sein Köpfchen auf der nackten Haut im Dekolleté ablegen möchte.
Wenn euch zu Hause die Decke auf den Kopf fällt, bietet sich ein Waldspaziergang an. Dort ist es schattig und tendenziell etwas kühler.
Um nochmal auf den portablen Sonnenschirm zurück zu kommen: damit habt ihr beide permanent "Schatten-to-go". Das hilft nicht nur gegen UV-Strahlung - im Schatten ist es bekanntlich einfach ein bisschen kühler.
Zum Schluss noch eine kleine Erinnerung:
ausreichend Trinken! Das gilbt sowohl für dich, als auch dein Baby. Wenn du stillst, kannst du deinem Kind auch in der Tragehilfe die Brust anbieten. Wie das geht, kannst du hier nachlesen oder in der Trageberatung lernen.

Ich wünsche euch eine wunderbare Sommerzeit mit vielen spannenden Tragemomenten!
Alles Liebe,
Marina
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