Welche Vorteile hat es, dein Kind oder Baby auf dem Rücken zu tragen und ab wann ist es eigentlich möglich? Warum ist es nicht optimal vorwärtsgerichtet zu tragen? Und welche Optionen gibt es für Eltern, die die körperliche Nähe nicht genießen können?
Entgegen anderen Ländern und Kulturen ist das Tragen auf dem Rücken hierzulande eher selten zu sehen. Tatsächlich sehe ich kaum Eltern mit Kind auf dem Rücken, und wenn dann eher mit einer Kraxe. Aber noch nie ist mir jemand begegnet, der sein Baby mit dem Tuch auf dem Rücken trägt. Ehrlich gesagt ziehe ich meinen Hut vor all den Eltern, die ihre Kinder mit 12kg immer noch vor dem Bauch tragen, gleichzeitig frage ich mich allerdings auch warum.
Selbstverständlich ist es kuscheliger und interaktiver, sein Kind vorne zu tragen. So kann das Baby den Herzschlag der tragenden Person hören, Augenkontakt halten und ganz automatisch streichelt man immer wieder sanft über das Babyköpfchen oder schnuppert daran.
Daneben bietet das Tragen auf dem Rücken viele Vorteile und Möglichkeiten, sowohl für das Kind jeden Alters, als auch für die tragende Person.
Ich höre immer wieder, dass Babys im Alter von drei bis vier Monaten anfangen, sich gegen das Tragen zu wehren. Sie strecken sich durch, weinen schon beim Einbinden/Anlegen der Trage und stemmen sich vehement gegen die Brust des Elternteils. Der sogenannte Tragestreik hat scheinbar begonnen. Meist haben die Eltern auch ganz intuitiv den richtigen Gedanken dazu:
Mein Baby möchte gerne mehr sehen!
Es liegt also nicht am Tragen an sich, sondern an der fortschreitenden Entwicklung! Das Kind beginnt in diesem Alter, Dinge aus der Ferne sehen zu können und Geräusche einer bestimmten Quelle zuzuordnen. Die Nacken- und Halsmuskulatur ist in der Regel soweit ausgereift, dass sämtliche Reize aus der Umgebung problemlos wahrgenommen und verfolgt werden können. Und das will ausprobiert werden!
Zwar kann ein Kind links und rechts vorbeisehen, jedoch ist ein Großteil der Eindrücke im Alltag der tragenden Person zugewandt - und somit dem Rücken des Babys. Ziemlich unpraktisch für das Baby, wenn es doch gerade alles so spannend findet!
Manche Eltern tendieren dann dazu, ihr Baby einfach nach vorne umzudrehen. In amerikanischen Ländern übrigens eine gängige Trageweise. Hierzulande wird davon eher abgeraten. Der Blick nach vorne bietet zwar allerlei spannende Dinge, kann aber auch relativ schnell zu einer Reizüberflutung führen.
Was dein Baby in vorwärtsgerichtet sieht, während du durch die Innenstadt schlenderst, kannst du hier sehen:
Hintern... viele Hintern ;-)
Ich persönlich fühle mich unwohl, wenn ich das kurze Video sehe. Wie mag es da einem Kind gehen, dass weder Reize filtern, noch sich abwenden kann? Davon abgesehen ist diese Position für ein kleines Baby einfach nicht ergonomisch, weil sich der Rücken durch die Körperform der/des Tragenden nicht runden kann. Gegebenenfalls kann sogar Zug und Druck auf die Genitalien des Kindes entstehen.
Viele Hersteller empfehlen aus diesen Gründen eine maximale Tragedauer und ein Mindestalter in dieser Position.
In einigen wenigen Situationen kann es aber tatsächlich notwenig sein, das Kind nach vorne gerichtet zu tragen. Beispielsweise ist es Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, nicht möglich auf der Hüfte oder dem Rücken zu tragen.
Ich möchte hier nichts verteufeln, jede Situation erfordert andere Trageweisen! Und selbst das vorwärtsgerichtete Tragen kann optimiert werden - nur pauschal empfehlen würde ich diese Trageweise nicht!
Aber zurück zum Thema...
Besser als sein Kind "faced-forward" zu tragen ist es, das Kind einfach auf den Rücken zu packen. Von dort kann es Mama und Papa wörtlich über die Schulter schauen und sich bei Bedarf trotzdem ankuscheln.
Welche Vorteile hat es, dein Baby auf dem Rücken zu tragen?
Unsere Körper sind so gebaut, dass wir problemlos Gewichte auf dem Rücken tragen können. Deshalb wurde auch der Rucksack erfunden, oder hast du schon mal Menschen gesehen, die ihre Ausrüstung beim Bergwandern vor dem Bauch tragen?
Vor allem für Frauen kann es körperlich schonender sein, das Kind auf dem Rücken zu tragen, weil dadurch der Beckenboden nicht so stark belastet wird. Ja ich weiß, das leidige Thema Beckenboden...
Ich will dazu auch gar nicht weiter ausholen, aber wenn Du bereits Probleme hast und dein Baby dennoch tragen möchtest/musst, wäre auf dem Rücken sicherlich eine gute Option!
Spätestens aber, wenn es dir schlichtweg zu schwer oder zu unbequem wird, dein Baby vorne zu tragen, wird es Zeit nach hinten zu wandern. Die Gewichtsverteilung auf dem Rücken ist nochmal ein ganz anderes Level!
Zumal das Baby dann einfach "aus dem Weg" ist. Das mag sich plump anhören, aber wer hat nicht schon mal das Babyfüßchen fast zwischen sich und der Küchenzeile eingeklemmt? Oder in akrobatischer Weise gekocht, damit das Baby nicht vom spritzenden Fett erwischt wird? Ich zumindest gehörte definitiv dazu! Und Dinge vom Boden aufheben ist auch irgendwie nervig, weil man dabei zusätzlich das Kind stützen muss. Spätestens, wenn noch ein Kleinkind zu Hause lebt, das überall kleinteiliges Spielzeug verteilt, wird Bücken zu einer sportlichen Herausforderung.
Hinten auf dem Rücken ist das Baby sicher vor Bügeldampf, heißem Fett und die tragende Person kann bequem den meisten Hobbys und Tätigkeiten nachgehen. Die Beweglichkeit und das Sichtfeld ist mit Baby auf dem Rücken einfach größer! Gartenarbeit ist so zum Beispiel auch mit Kind problemlos und unkompliziert möglich.
Und auch die Kinder nehmen ihre Umgebung vom Rücken aus super wahr! Viele Trage- und Bindetechniken ermöglichen es, das Kind so weit oben zu tragen, dass es über die Schulter schauen kann. Es ist also wörtlich hautnah und auf Augenhöhe bei allem was du tust mit dabei. Wird es doch irgendwann zu langweilig oder das Kind zu müde, kann es sich einfach an dich ankuscheln und den Kopf bei dir ablegen.
Im Übrigen ist das Rückentragen auch eine gute Möglichkeit, während der nächsten Schwangerschaft das größere Geschwisterkind zu tragen, sofern medizinisch nichts dagegen spricht.
Auch für Eltern von Zwillingen kann es eine deutliche Entlastung bringen, ein Kind auf dem Rücken (und ggf. eines vorne) zu tragen.
Aber ich sehe mein Baby auf dem Rücken doch gar nicht!?
Stimmt. Und ehrlicherweise fand ich das Gefühl am Anfang auch ziemlich gruselig. Ist die Nase frei? Schläft mein Kind? Ist es zufrieden? Was macht es?
Zu Hause kann man jederzeit schnell einen Blick in den Spiegel werfen und nachsehen. Unterwegs bieten sich parkende Autos oder Schaufenster an. Ansonsten haben wir doch meistens sowieso ein Handy in der Tasche - Kamera einfach im Selfiemodus als Spiegel nutzen!
Mit der Zeit und Trageerfahrung lernst du anhand der Atembewegungen und Körperspannung deines Kindes, wann es schläft, entspannt ist oder neugierig etwas erkunden möchte. Auch wenn du das Kind nicht direkt siehst, seid ihr dennoch immer in Kontakt und kommuniziert miteinander. Nur eben auf andere Arten.
Ab wann kann ich auf dem Rücken tragen?
Grundsätzlich kannst du mit einem Tuch ab Geburt auf dem Rücken tragen, sofern du dich mit dem Tuch sicher fühlst und die Technik beherrscht. Was sich erst mal sehr gruselig anhört, ist wirklich gut erlernbar und einfach umzusetzen.
Sobald das Kind ausreichend Kopfkontrolle hat, kannst du dein Baby auch mit einer Trage auf den Rücken bringen. Das ist meist mit 3-4 Monaten soweit.
Der Unterschied zum Tuch ist dabei der "Weg" auf den Rücken, der mit einer Trage anders funktioniert. Die Trage- und Bindetechnik sollte dabei immer altersentsprechend und an die Fähigkeiten des Kindes angepasst sein. So kann ich ein Kleinkind einfach auf meinen Rücken hüpfen lassen, während ich ein Neugeborenes behutsam und kontrolliert über die Schulter nach hinten gleiten lasse.
Der richtige Moment, um damit anzufangen ist dann, wenn du dich dafür bereit fühlst. Und selbstverständlich ist das Rückentragen kein "Muss". Du kannst dein Kind jederzeit nach vorne holen, so wie es für euren Alltag und in dieser Situation gerade passt. Es gibt dabei kein Richtig oder Falsch.
Wenn du stillst und ein Baby hast, das gerne und viel Clustert, kann es sinnvoll sein, mit dem Rückentragen noch etwas zu warten. Leider haben wir nun mal vorne unsere Brüste und Stillen in der Tragehilfe kann auch ziemlich praktisch sein. Mehr dazu kannst du hier lesen. Andererseits kann dir das Tragen auf dem Rücken auch zu einer Pause verhelfen, weil das Baby die Brust nicht ständig vor der Nase hat. Das muss man ausprobieren und kann ganz individuell sein.
Tragen - auch wenn Tragen eigentlich keine Option ist
Es gibt Mamas, denen es nach der Geburt ziemlich mies geht und das beschreibt es nicht mal ansatzweise! Und es gibt Mamas und Papas, die ihre Kinder über alles lieben und gleichzeitig diese körperliche Nähe nicht ertragen können.
In solchen Situationen kann es wunderbar funktionieren, das Baby auf dem Rücken zu tragen. So hat die tragende Person den nötigen Freiraum und das Baby kann kuscheln. All diese Eltern geben ihr Bestes, auch wenn sie nicht tragen! Das ist völlig in Ordnung und macht niemanden besser oder schlechter! Jedes Elternteil bringt eine eigene Geschichte mit sich und niemand ist in der Position darüber zu urteilen.
Ich möchte an dieser Stelle keinen Druck aufbauen, sondern Möglichkeiten aufzeigen. Ich selbst bin dankbar darüber, nicht betroffen zu sein. Falls du mir von deiner Erfahrung erzählen möchtest, würde ich deine Geschichte dazu unglaublich gerne hören! Schreib mich dazu einfach an oder hinterlasse einen (anonymen) Kommentar.
Worauf muss ich achten, wenn ich auf dem Rücken trage?
Es gelten auf dem Rücken die gleichen Prinzipien wie vor dem Bauch. Die Atmung muss ausnahmslos immer gewährleistet sein! Also Nase frei und Gesicht immer sichtbar. Achte bitte darauf, dass z.B. Schals oder deine Haare nicht stören.
Die Trage und der Steg müssen auf die Größe deines Kindes angepasst sein und das Baby sollte rundum gestützt sein, das kennst du ja bereits.
Das Kind sollte auch auf dem Rücken so in der Trage oder im Tuch sitzen, dass es eine Anhock-Spreiz-Haltung einnehmen kann.
Und natürlich muss die Trage oder das Tuch so angelegt werden, dass die Träger bzw. Tuchstränge keinesfalls von den Schultern rutschen können oder das Kind in irgendeiner Art und Weise herausfallen könnte. Aber auch das ist nichts Neues. Ich wollt's nur nochmal sicherheitshalber erwähnen ;-)
Alles klar? Dann leg doch heute gleich noch los. Welche Gründe sprechen für dich dagegen?
Falls ich dir zeigen darf, wie du dein Baby sicher und bequem auf dem Rücken tragen kannst, freue ich mich auf unseren Termin! Wir üben solange (erst mit einer Tragepuppe, dann mit deinem Kind), bis du das easy selbst hinbekommst - versprochen!
Toller Beitrag!